Friedensnobelpreisträgerin ICAN wurde diskreditiert
Urananreicherer Urenco setzt auf Expansion in zivil-militärischem Bereich
Regionale Anti-Atomkraft-Initiativen, der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) und die internationale Ärzteorganisation IPPNW reagieren empört auf die veröffentlichten Recherchen der taz. Im Oktober 2018 soll aus dem direkten Umfeld des Gronauer Urananreicherers Urenco versucht worden sein, die Abgeordneten des Umweltausschusses des Bundestags mit einem Schreiben zu täuschen, um das sehr magere friedenspolitische Ansehen der Urenco aufzupolieren und das Ansehen der Friedensnobelpreisträgerin ICAN zu diskreditieren. Die „dubiose Stellungnahme“ (taz) enthält anscheinend in weiten Teilen falsche Angaben.
taz: Die Spur führt nach Schüttorf und Gronau
Auslöser war eine Stellungnahme von ICAN Deutschland gegenüber dem Umweltausschuss des Bundestags im unmittelbaren Vorfeld eines Experten-Hearings im Oktober 2018 zur möglichen Stilllegung der Urananreicherungsanlage Gronau. In der Stellungnahme warnte ICAN eindringlich vor den militärischen Gefahren der Urananreicherung. Nur wenige Stunden später erhielt der Umweltausschuss eine deutschsprachige Gegenstellungnahme des angeblichen US-Wissenschaftlers „Dr. Panto“, zugestellt von einem „Uran-Institut“. Dieses „Institut“ steht nach den Recherchen aber in direktem Zusammenhang mit Dr. Andreas Kronenberg aus Schüttorf (15 km nördlich von Gronau). In Schüttorf ist Dr. Kronenberg Mitglied der örtlichen CDU, in den USA gibt er sich aktuell bei der American Nuclear Society als Urenco-Mann aus mit einer Werks-Telefonnummer aus der UAA Gronau (Quelle: http://desd.ans.org/officers/). Laut Urenco arbeitet Kronenberg aktuell „nicht mehr“ in Gronau. Noch Anfang des Monats wollte die Telefonzentrale der Urenco die taz jedoch durchstellen. Der Herr „Panto“ erweist sich bislang als Phantom.
An dem Hearing im Bundestag nahmen im Oktober 2018 auch der Gronauer FDP-Abgeordnete Karl-Heinz Busen sowie als Gast der Chef der Urenco Deutschland, Dr. Joachim Ohnemus, teil. Atomkraftgegner protestierten vor dem Bundestag mit einer Mahnwache.
Die Anti-Atomkraft-Initiativen sind viel gewohnt im Umgang mit der Atomindustrie, aber dass hier anscheinend mit unlauteren Methoden versucht wurde, den Bundesumweltausschuss mit einer fingierten Stellungnahme hinters Licht zu führen, ist ein Skandal. Das wirft die Frage auf, wer dem Autoren die Stellungnahme von ICAN so postwendend zugespielt hat: Waren hier womöglich regionale Bundestagsabgeordnete oder gar die Firma Urenco selbst beteiligt? Die Initiativen fordern eine umfassende Untersuchung und Aufklärung.
Urenco auf friedenspolitischen Abwegen
Urenco hat gerade erst im Februar angekündigt, in der firmeneigenen Urananreicherungsanlage in New Mexico/USA zukünftig Uran 235 statt bislang maximal auf 5-6 % auf bis zu 19,75 % anzureichern. Für die Entwicklung der entsprechenden Zentrifugen würde die zentrale Urenco-Techniktochter ETC neben dem Forschungszentrum in Jülich eingesetzt werden. Als mögliche Kunden führt Urenco „fortgeschrittene Reaktortypen“ sowie Forschungsreaktoren an, aber auch die von Urenco geplanten eigenen U-Batterie-Atomreaktoren. Konkretes Interesse an dem deutlich höher angereicherten Uran hat in den USA vor wenigen Wochen ausgerechnet das US-Verteidigungsministerium geäußert, das kleine mobile Reaktoren für „rapid response scenarios“ bauen möchte.
Urenco hat in den USA nach Angaben des US-Energieministeriums schon vor Jahren versucht, die strikte Zivilklausel in Zusammenhang mit der Belieferung von Reaktoren auszuhebeln, die Tritium für den Einsatz in Atomwaffen herstellen. Die friedenspolitischen Sorgen von ICAN sind real und berechtigt. Bislang galt die 5%-Grenze bei der Urananreicherung als Beleg für die rein zivile Nutzung. Wie kann die Bundesregierung einen derart dramatischen Kursschwenk bei Urenco billigen? Die Gefahr der Proliferation ist aus friedenspolitischer Sicht sehr hoch.
19. April: Ostermarsch zur Urananreicherungsanlage Gronau
Das Aktionsbündnis Münsterland gegen Atomanlagen und der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) rufen zur Teilnahme am diesjährigen Ostermarsch am Karfreitag, 19. April 2019, zur Urananreicherungsanlage Gronau auf: Uns macht der atompolitische Kurs der Urenco in Zeiten weltweiter atomarer Aufrüstung große Sorgen. Wir fordern deshalb sowohl aus ziviler wie aus militärischer Sicht die umgehende Stilllegung der Urananreicherungsanlagen in Gronau und Almelo sowie der Zentrifugenentwicklung und -fertigung in Jülich.